Russland-Experte Seipel hat 600.000 Euro von einem Putin-nahen Oligarchen erhalten. Das zeigen ZDF-Recherchen. Seine Unparteilichkeit sieht der Journalist nicht beeintrÀchtigt.

“Deed of Sponsorship”, auf Deutsch “Sponsorenvertrag”, steht schlicht auf dem Papier von MĂ€rz 2018, das dem bekannten deutschen Fernsehjournalisten und Buchautoren Hubert Seipel die erstaunliche Summe von 600.000 Euro einbringen soll. Seipel, so heißt es in jenem Vertrag, schreibe “ein Buch ĂŒber die politische Landschaft in der Russischen Föderation”. Und der großzĂŒgige Sponsor, eine karibische Briefkastenfirma namens “De Vere Worldwide ​Corporation​”, möchte mit der Summe “die Entwicklung des Projekts unterstĂŒtzen”.

Hinter der obskuren Briefkastenfirma verbirgt sich letztendlich der russische Oligarch Alexej Mordaschow, langjĂ€hriger TUI-GroßaktionĂ€r, wohl zwanzig Milliarden US-Dollar schwer und so nah am russischen PrĂ€sidenten Wladimir Putin, dass Mordaschow seit Februar 2022 von den USA und der EuropĂ€ischen Union sanktioniert​ ​wird.

Das derart “geförderte” Buch wiederum erschien tatsĂ€chlich im Jahr 2021, unter dem Titel: “Putins Macht. Warum Europa Russland braucht”. ​Bei seinem Hamburger Verlag​ “Hoffmann und Campe” wusste allerdings niemand davon, dass Seipel von einem Putin-Vertrauten mit Hunderttausenden Euro bedacht wurde. Das erklĂ€rt “Hoffmann und Campe” jedenfalls gegenĂŒber ZDF und “Spiegel”. Ein handgeschriebener Vermerk in den ​geleakten ​Dokumenten weist zudem darauf hin, dass Seipel bereits 2013 einen Ă€hnlichen Vertrag fĂŒr sein erstes Buch ĂŒber PrĂ€sident Putin unterschrieben hatte - was dieser auch nicht bestreitet.

Seipel zeigte Putin als einen KĂŒmmerer

​​​Seipel​, der vor gut fĂŒnfzehn Jahren auch fĂŒr das ZDF tĂ€tig war,​ hat das Bild von​ Wladimir Putin in Deutschland ĂŒber Jahre geprĂ€gt, maßgeblich mit der ARD-Dokumentation “Ich, Putin” von 2012. Der deutsche Journalist zeigt Putin als einen, der sich unermĂŒdlich um sein großes Land kĂŒmmert. Millionen Deutsche sehen den russischen PrĂ€sidenten mit den Augen von Seipel. Betreut wurde die Dokumentation im "Norddeutschen Rundfunk"​ (NDR)​. Der Sender sagt, er habe bis heute nichts gewusst von einem Sponsorenvertrag und verspricht AufklĂ€rung.

Seipel ist damit der erste bekannt gewordene Fall eines einflussreichen westlichen Journalisten, der mit großzĂŒgigen und vor allem heimlichen GeldflĂŒssen aus Russlands Elite um PrĂ€sident Putin bedacht wurde.

Sind die Zahlungen der Versuch einer Einflussnahme?​ Der Vorgang stellt Seipels Werk der vergangenen gut 15 Jahre, in denen er sich auf Russland fokussiert hat, und seine journalistische GlaubwĂŒrdigkeit enorm in Frage. In dieser Zeit gewann Seipel unter anderem den Deutschen Fernsehpreis fĂŒr sein Interview mit dem US-Whistleblower Edward Snowden, das er in Moskau fĂŒhrte. Experten hatten in der Vergangenheit wiederholt auf Seipels unkritische Haltung gegenĂŒber der russischen Regierung hingewiesen.

Seipel gesteht Zahlung - beharrt aber auf Unparteilichkeit

Die Recherche zu Seipels Sponsorenvertrag ist Teil des “Cyprus Confidential”-Projekts, in dessen Rahmen in den vergangenen Monaten mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten von 69 MedienhĂ€usern geleakte Daten aus Zypern ausgewertet haben - unter Leitung des International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) und von der Investigativredaktion paper trail media. Unter den Medienpartnern sind neben dem ZDF auch “Spiegel”, “Standard”, “ORF”, das Schweizer Medienhaus “Tamedia” sowie “Washington Post”, “Guardian” und “Le Monde”.

In einer ausfĂŒhrlichen Stellungnahme gesteht Seipel ein, dass der Oligarch Alexej Mordaschow seine “Buchprojekte” unterstĂŒtzt habe. Er bestreitet aber vehement, dass dadurch seine Unparteilichkeit beeintrĂ€chtigt worden sei. Er verweist auf einen Passus in jenem nun geleakten Vertrag, wonach er dem Sponsor gegenĂŒber “keine Verpflichtung” habe, was das Projekt angehe, also “den Inhalt und die Komposition des Buches”. Exklusiv

Seipel hatte noch 2021 bestritten, aus Russland Geld erhalten zu haben

Mordaschow ließ eine ZDF-Anfrage zu dem Sachverhalt unbeantwortet​, ebenso der russische PrĂ€sident Putin​. Allerdings erklĂ€rt Seipel nicht, weshalb er seine Bezahlung nicht offengelegt hat. Selbst auf Nachfrage hatte er 2021 in einem “SWR”-Interview vehement bestritten, aus Russland jemals Geld bekommen zu haben.

Der “NDR” sowie “Hoffmann und Campe” haben mittlerweile auf ZDF-Anfrage erklĂ€rt, die VorgĂ€nge intern prĂŒfen zu lassen, auch im Hinblick auf rechtliche Schritte. Der “NDR” erklĂ€rt zudem, dass Seipel â€œĂŒber eine etwaige Interessenkollision, wie zum Beispiel eine Bezahlung”, hĂ€tte informieren mĂŒssen. Bei einer “Zahlung zur Beeinflussung eines Autoren”, so der “NDR”, sĂ€he der Sender “sich und sein Publikum getĂ€uscht”.

  • Dips@feddit.de
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    11 months ago

    NatĂŒrlich steht im Vertrag, dass keine Einflussnahme stattfindet. Ist ja auch keiner so dumm, das schwarz auf weiß zu schreiben.

  • Tiptopit@feddit.de
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    11 months ago

    Ich hab hier auch noch Ideen fĂŒr das ein oder andere Buchprojekt
 Wenn der Inhalt so egal ist, kann ich dann auch 1,2 Mio € Sponsorengelder?

    • silent2k@lemmy.world
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      11 months ago

      Guck auf YouTube was passiert wenn du einigermaßen follower hast. Wieviele sind rechts abgebogen und schwurbeln heute? Meinst du, da steckt kein Sponsor dahinter?