Nach der Schlappe beim Heizungsgesetz fügt die Union der Ampelkoalition in Karlsruhe erneut eine herbe Niederlage zu. So verständlich der Jubel von CDU und CSU über das Verfassungsgerichtsurteil ist, er wird nicht von Dauer sein. Auch die nach Umfragen stärkste Partei muss nach diesem Tag Antworten liefern.

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Das Bundesverfassungsgericht hat mitnichten ein Werturteil zur ökonomischen und politischen Sinnhaftigkeit der Schuldenregel abgegeben. Die Richter haben lediglich den Gesetzestext mit dem Regierungshandeln abgeglichen und festgestellt: Was die Ampelkoalition mithilfe ihrer Fraktionen entschieden hatte, die Umwidmung von Corona-Krediten in Mittel zum Umbau der Wirtschaft und Infrastruktur, ist in der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse nicht vorgesehen. Hätte die Bundesregierung dagegen Schulden aufgenommen, um eine akute wirtschaftliche Notsituation zu bekämpfen, die der Ukraine-Krieg verursacht hat, wäre also den gesetzlichen Weg der Ausnahmeregelung gegangen, hätten die Ausgaben durchaus verfassungskonform sein können.

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Doch die Union, das muss man ihr vorwerfen, denkt nicht über den Tag hinaus: Sie will wieder Verantwortung im Bund übernehmen und hat darauf auch gute Aussichten, genauso wie sie jetzt schon Regierungsverantwortung in den Ländern trägt. Wenn sie aber meint, die gigantischen Herausforderungen seien allein durch Umschichtungen im Haushalt und dem Streichen einzelner Vorhaben zu stemmen, lügt sie sich in die Tasche. Es mag Exzesse bei den Sozialausgaben und Migrationskosten geben. Man kann infrage stellen, ob gigantische Chiphersteller nur zum Preis von zweistelligen Milliardensubventionen nach Deutschland zu locken sind. Aber die Notwendigkeit zur Transformation der Energieversorgung und Erneuerung der Infrastruktur ist real.

Das Nein zur Reform der Schuldenbremse ist zu wenig

Einmal weil Deutschland - ebenfalls verfassungsrechtlich - an die Klimaziele gebunden ist, zum anderen aber auch, weil der Erfolg der Wirtschaft und die politische Souveränität des Landes an Kosten und Zuverlässigkeit der Energieversorgung hängen. Hier gibt es keine sinnvolle Alternative zum massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Selbst Anhänger der Atomkraft müssen eingestehen, dass diese zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr kurzfristig einspringen könnte und ebenfalls milliardenschwere Anschubfinanzierung bräuchte. Zudem braucht Deutschland ein leistungsfähigeres Bahnnetz, eine moderne Energieinfrastruktur, eine nachhaltige Wärmeversorgung und energieeffiziente Gebäude. Die hierfür bislang im KTF vorgesehenen Mittel kamen und kämen auch unionsregierten Ländern zugute.

Wie all diese Investitionen unter strikter Einhaltung der bestehenden Schuldenbremse finanziert und zeitgleich das Verteidigungsbudget dauerhaft gesteigert werden soll, während die deutsche Wirtschaft und das Sozialsystem dauerhaft von immensen demografischen Verwerfungen belastet werden: Darauf hat die Union genauso wenig wie die FDP eine überzeugende Antwort. Der jüngste Vorstoß der SPD dagegen, die Schuldenbremse für investive Ausgaben zu öffnen, ist da schon plausibler. Der Vorschlag findet Zustimmung auch bei arbeitgebernahen Ökonomen, von Sozial- und Umweltverbänden ganz abgesehen. Weil aber die Union einer Grundgesetzänderung zur Reform der Schuldenbremse zustimmen müsste, kann sie sich in dieser Debatte nicht länger auf ein stumpfes “Nein” zurückziehen - nicht als Regierungspartei im Wartestand. Die Union, die sich heute noch mit gutem Recht als Jäger feiern lässt, könnte daher infolge des Urteils bald zur Getriebenen werden.